Kolumne: Gedanken zum Jahresbeginn
Ein Thema, drei Ansichten: In unserer Kolumne 3 Good Things beschäftigen wir uns diesmal mit dem Jahreswechsel.
Welcome zu unserer Kolumne, 3 Good Things! Jeden Monat beleuchten wir hier ein Thema von drei unterschiedlichen Blickwinkeln. Diesmal pünktlich im neuen Jahr mit Gedanken zum Jahresbeginn. Was wir uns so vornehmen (oder eher nicht vornehmen), erfahrt ihr hier.
Noch vor ein paar Jahren war Silvester mein persönlicher least favorite day of the year. Party of the year oder Flop des Jahres? Jedes Jahr aufs Neue spürte ich diese Erwartungshaltung ungebremst auf mich zukommen und war damit einfach immer überfordert. Und Vorsätze – die verstärkten bei mir diese Überforderung nach einem besseren Leben und einem noch besseren Ich, die ich an jedem Jahresende spürte. Immenser Druck, bittere Enttäuschung und eine geringe Einhaltsquote, dafür standen Vorsätze bisher für mich. Kurz gesagt: ich fand beides – Silvester und Neujahrsvorsätze – ziemlich doof. Warum bis zum neuen Jahr warten, um etwas zu ändern? Und warum ausgerechnet im kalten, grauen Januar mit einer komplett neuen Lebensweise beginnen? Woher sollte denn auf einmal so ganz ohne Sonne im Winter die Motivation und der Antrieb herkommen? Das alles fragte ich mich jedes Jahr beim Jahreswechsel aufs Neue.
Mittlerweile mag ich beides, Silvester und auch die Vorsätze. Allerdings auch nur, weil ich mich von allgemeinen Vorstellungen wie beides sein sollte gelöst habe und mehr oder weniger mein eigenes Ding mache. Vor allem durch die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns und Ausgehbeschränkungen und auch den Einzug von Kalle (Hund aus dem Tierschutz) habe ich gemerkt, dass ich Silvester viel lieber im kleinen Kreis und eher ruhig verbringe. Das alte Jahr in Ruhe ausklingen lassen fühlt sich für mich viel besser an, als es mit einem viel zu großen Knall zu beenden und dann mit Kopfweh am nächsten Morgen zu beginnen. Ich mag – nein, ich liebe – die ruhige Zeit zwischen den Jahren, vor allem hier in Berlin. Die Stadt, die sonst pulsiert und einen unaufhaltsam mitzieht, wird auf einmal ganz leise und steht fast vollkommen still. Die Straßen sind leer und alles ist ruhig. Das perfekte Setting, um selbst zur Ruhe zu kommen, das alte Jahr abzuschließen und Kräfte für das Neue zu sammeln. Wintering deluxe.
Und die Neujahrsvorsätze? – Auch die sind mittlerweile eine feine Sache für mich. Ich lasse mich jetzt eher vom Zauber des Neuanfangs inspirieren, anstatt vom Erwartungsdruck und Optimierungswahn zu erschlagen. Zuallererst habe ich dabei für mich das Wort Neujahrsvorsatz aus meinem Wortschatz gestrichen.Viel schöner finde ich die Verwendung von Wünschen fürs neue Jahr oder auch den englischen Begriff “resolution”. Denn darin verbergen sich gleich zwei Bedeutungen. Zum einen das Präfix “re”, das so viel wie “wieder, zurück” bedeutet und eine Wiederholung oder Erneuerung kennzeichnet. Und zum anderen “solution”, als eine Lösung oder ein neuer Ansatz für eine alteingesessene Sache. Zusammengenommen klingt das gleich viel netter und weniger furchteinflößend als ein resoluter, normkonformer Vorsatz, der bitteschön auch ganz fix umgesetzt werden muss.
Mit den Vorsätzen mache ich es dabei so: Ich setze eher auf den Weg selbst als auf das Ziel an sich. Anstatt mir selbst unerreichbare KPIs zu setzen und mich mit Selbstoptimierung zu überfordern, verfolge ich kleine Veränderungen in die „richtige“ Richtung. Ein wenig mehr davon und ein bisschen weniger davon und nicht gleich von Null auf Hundert. Vielleicht ist es aber auch genau das: Gerade weil ich mir keine (zu hohen) Ziele mehr vornehme, baue ich erst gar keinen großen Erwartungsdruck auf. Und kann dementsprechend auch gar nicht enttäuscht werden. New Year, new me – so ein wenig stimmt es dieses Mal doch, allerdings zu meinen Konditionen, ganz ohne Druck und Erwartungen von außen. – Anya
Am 30.12., also kurz vor dem Sprung in das neue Jahr, zog ich mich mit meinem neuen, schönen Journal ganz in Ruhe zurück und wollte mein Endjahresritual durchziehen: Mein letztes Jahr Monat für Monat reflektieren und dann für das neue Jahr Wünsche, Ziele und Begegnungen aufschreiben. Ich war in einem süßen kleinen Ferienhaus in Mecklenburg-Vorpommern, ziemlich abgeschieden von allem in einer unglaublich entspannten Atmosphäre. Als wäre die Zeit zum Stillstand gekommen, genau wie von Anya beschrieben. Allerdings kam ich gar nicht ins Schreiben. Ich fühlte es einfach nicht. Um mich nicht unter Druck zu setzen, schrieb ich “nur” kurz und knapp etwas, was mir gerade in den Sinn kam. Dabei blieb es dann auch – und genau das möchte ich gern mit euch teilen.
Ganz viel Ruhe und Zufriedenheit mit dem, was gerade ist. Gemütlichkeit, Entspannung, und vor allem die Annahme dessen, was innen und außen gerade los ist – oder eben auch nicht. Das wünsche ich mir (für mich) im nächsten Jahr. Das immer wieder (kurze) Innehalten und Überdenken, ob das, was ich habe, das ist, was ich will und brauche. Und viel wichtiger (für mich): Ob das, was ich mir wünsche, wohin ich möchte, wonach ich strebe, wirklich das ist, was ICH möchte und was ICH brauche.
In den letzten Jahren bin ich sehr dem großen Traumleben hinterhergelaufen. Den Visionen für mein Leben. Der höchsten, besten, schönsten Version meiner Selbst. Und das alles hat mich an atemberaubend schöne Orte reisen lassen, mich wachsen und verändern lassen, immer und immer wieder neu. Das ist toll.
Und gleichzeitig nahm dieses Gefühl von Rastlosigkeit, Unruhe und Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand dadurch immer weiter zu. Weil nach jedem tollen Erlebnis trotzdem hinter der nächsten Ecke der nächste große Traum, das nächste Ziel, die Veränderung liegen und auf mich warten könnte. Ungeduldig, genau wie ich.
Für 2023 wünsche ich mir daher mehr von meinem Zwischen-den-Jahren-Gefühl. Ich möchte mir mehr Zeit nehmen und geben, für Nichts-Tun, Nicht-Produktiv-Sein. Für alte und neue Verbindungen. Für kleine Meilenkieselchen statt großer Steine. Für weniger Vorankommen und mehr Aussicht genießen. Es ist nämlich verdammt schön, da, wo ich gerade bin. – Fine
Wir Mädels sind uns schon mal einig. Egal wann, ob zum Jahreswechsel oder an jedem einzelnen Tag des kommenden Jahres, wir wollen weg vom Selbstoptimierungszwang.
In diesem Sinne schreibe ich zum Jahreswechsel ein kleines Wort ganz groß: GENUG.
Stell dich mal vor den Spiegel und sage einfach:
Ich tue genug.
Ich habe genug.
Ich bin genug.
– Anne
Meine es ernst und fühle die Wirkung. Was für ein wundervolles Wort. Ich hab mich sehr in diese drei Sätze verliebt und versuche jedes Mal, wenn sich andere kleine Worte wie “mehr” oder “weniger” in meine Gedanken schieben, mich wieder darauf zu besinnen. Woher kommt der Drang nach “mehr hiervon” und “weniger davon” meistens? Wenn wir uns vergleichen. Ich versuche mich dieses Jahr noch weniger mit anderen und höchstens mit mir selbst zu vergleichen. Wenn die Zweiflerin im Kopf mal lauter wird, besinne ich mich auf das Wort “genug”. Natürlich haben wir alle Wünsche und Träume aber wie Anya das Wort “Vorsätze” mit “Wünsche” ersetzt und damit dem Ganzen viel Druck rausnimmt, möchte ich auch diesen Weg gehen und versuche meine Sätze mit “Ich bin offen für … “ zu formulieren.
“Ich bin offen für Liebe.” “Ich bin offen für Fülle.” und so weiter. Wenn diese Dinge in mein Leben kommen sollen, werden sie kommen. Mehr Vertrauen, weniger Stress.
Wir alle drei haben den Jahreswechsel in Ruhe verbracht. Ebenso haben wir alle drei kleine Vierbeiner an unserer Seite, die uns das sicher gedankt haben.
Wie schön ist es, am ersten Tag des neuen Jahres ausgeschlafen und voller Energie die frische Winterluft zu atmen. Mein Gedanke zum Start in das Jahr ist dabei einfach nur, solche Tage möchte ich dieses Jahr öfter erleben. Ohne Druck etwas erreichen zu müssen. Etwas sein zu müssen oder noch mehr von irgendwelchen Dingen zu besitzen. Vor allem in der Silvesternacht habe ich erkannt, was ich wirklich brauche: Entspannung, Natur, Liebe und mich, einfach so wie ich bin. Jetzt bei mir sein, ohne ständig gedanklich in der Vergangenheit, bei anderen oder dem, was ich noch nicht habe, bin oder tue, zu sein.
Wie wäre es, dieses Jahr das Wort „genug“ in jeder Hinsicht einfach groß zu schreiben? Und auch wenn wir nichts erreichen, verdienen oder ändern (was mit Sicherheit ganz von selbst geschieht), haben wir wieder ein wundervolles Jahr mit Höhen und Tiefen auf dieser verrückten Erde verbracht. Ist das Leben nicht so, wie es ist, einfach genug?
Als wunderbare Begleitung für diese Gedanken kann ich das Buch von Brené Brown – Die Gaben der Unvollkommenheit und die geführte Meditation für Entspannung & Zufriedenheit von Mady Morrison empfehlen. – Anne
Wie seid ihr ins neue Jahr gestartet – mit oder ohne Vorhaben? Verratet es uns in den Kommentaren oder teilt es mit uns auf Instagram.
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