Welcome zu unserer neuen Kolumne, 3 Good Things! Jeden Monat beleuchten wir hier ein Thema von drei unterschiedlichen Blickwinkeln. Diesmal lautet das Thema: Distanz zur Arbeit. Denn genau das Abschalten und Abstandhalten vom Job fällt uns manchmal ziemlich schwer. Wie es uns dennoch gelingt, Abstand vom Job zu nehmen, verraten wir euch hier.

Neuer Job, meine Entscheidung: Ich ärgere mich … nicht

Das Bild zeigt eine junge Frau mit braunem Haar und orangefarbenen Pullover, die in einem Kornfeld steht und ihren Körper in den Gegenwind hält, um zu zeigen, dass sie Distanz zur Arbeit bewahrt.

Distanz zur Arbeit, das fiel mir lange Zeit sehr schwer. In den meisten Jobs trug ich Dinge, die eigentlich ins Büro gehörten, auch nach Feierabend mit mir herum. Ich machte mir Gedanken über den Workload und den damit verbundenen Stress, über Gespräche mit Kolleg*innen und die Zusammenarbeit im Team, über das Verhalten bzw. das Nicht-Verhalten von Vorgesetzten, über das Arbeitsklima, den Ablauf und das Outcome von Meetings, über meine Aufgaben und die damit verbundenen Herausforderungen, über die teilweise komplizierten Entscheidungsmechanismen und verworrenen Strukturen, die das Arbeiten insgesamt erschwerten. Puh! All das beschäftigte mich weit über die eigentliche Arbeitszeit hinaus. Das Resultat: Ich war ständig angespannt, die Gedanken kreisten nahezu non-stop, das Abschalten gelang mir einfach nicht. Meine rechte Schulter schmerzte und mein Nacken auch. Ich schlief schlecht und war tagsüber meist müde und unausgeglichen.

Um dem entgegenzuwirken suchte ich nach Ausgleich. Jeden Tag praktizierte ich fleißig Yoga und meditierte; ich hatte eine Morgenroutine und ein Einschlafritual. Dazu kamen noch diverse Kurse im Fitnessstudio. Body Fit, Step, Tabata, Crossfit, you name it. Was mir das alles brachte? – Um ehrlich zu sein, gar nichts.

Dann kam ich irgendwann an einem Punkt, an dem ich verstand, dass ich gar nicht so viel Yoga machen konnte, wie ich eigentlich zum Abschalten von diesen Jobs brauchte. Was ich brauchte, war nicht nur eine emotionale Distanz zur Arbeit oder das sagenumwobene dicke Fell, sondern eine viel tiefgreifendere, konsequentere Maßnahme: Ich brauche ganz einfach einen anderen Job.

– Anya –

Wenn ich jetzt von der Arbeit nach Hause gehe, dann bin ich nach Feierabend meist ungewohnt entspannt und denke kaum an meine To-Do-Liste oder anderen arbeitsrelevanten Content. Es klappt momentan also ganz gut, das mit der Distanz zur Arbeit. Woran das liegt? – So genau kann ich das noch gar nicht sagen. Eine Vermutung habe ich aber dann doch: an dem neuen Job selbst, in dem ich mich einfach wohlfühle. Denn das Arbeitsklima ist so herrlich angenehm; die Strukturen stärkend und nicht behindernd. Es bleibt nichts unausgesprochen, was ich früher schweren Herzens mit nach Hause trug. Das Arbeitspensum ist angemessen und während der vorgesehenen Arbeitszeit zu schaffen. Und dann gibts da noch eine andere Sache, die mir bei der Distanzbewahrung hilft.

„Ich entscheide immer noch selbst, über wen ich mich ärgern möchte.“ – Genau diesen Satz hab ich neulich erst im Podcast Frauenstimmen der wunderbaren Ildiko von Kürthy gehört. Und genau den möchte ich unbedingt behalten, einhalten und in die Tat umsetzen und wirklich konsequent selbst darüber entscheiden, über wen oder was ich mir den Kopf zerbreche, das Gedankenkarussell kreisen und meine wertvolle Energie abziehen lasse – und von was nicht.

Wenn jetzt ein Moment kommt, in dem ich merke, dass mich die Arbeit doch noch nach Feierabend beschäftigt, dann sage ich mir diesen Satz, manchmal sogar laut. Und danach geht es mir besser und das Wegschieben der Arbeit oder der Gedanken daran fällt mir leichter. Natürlich kann ich mich nicht komplett frei von alten Mustern und Gelerntem, Peer Pressure und der Hustle Culture machen. (Wer das dennoch kann, soll sich bitte bei mir melden. Danke!)

Aber ich kann es immer wieder versuchen. Denn ich bin so viel mehr als nur meine Arbeit; wir alle sind so viel mehr als unsere Jobs. Gerade in unserer Leistungsgesellschaft müssen wir uns nur immer und immer wieder genau daran erinnern. Arbeit ist NICHT alles im Leben. Daher sollten wir auch unsere Einstellung der Arbeit gegenüber ein wenig überdenken. Pflichtbewusstsein, Verantwortung, Perfektionismus, all das gehört revolutioniert. Und wer kann das besser als wir selbst? Denn wenn wir uns einmal selbst die Frage stellen: Was ist mir wirklich wichtig im Leben? Und im Anschluss daran auch noch überlegen, über was wir uns ärgern möchten, dann kommen die meisten von uns zu dem Schluß: Die Arbeit ist es eigentlich nicht. – Anya

Perfektionismus ist scheiße

Das Bild zeigt eine junge Frau mit braunem Haar und orangefarbenen Pullover in einem Kornfeld, die ihre Hände schützend vor sich hält, um so Distanz zur Arbeit zu bewahren.

Vor ein paar Tagen schickte mir ein Freund einen Screenshot von einem Plakat an einer Bushaltestelle, auf dem stand: “Keine Firma liegt abends im Bett und denkt an dich!” – Wie wahr! Emotional Abstand nehmen fällt vielen von uns sehr schwer. Vor allem zum Job. Da wir circa acht Stunden des Tages in der Arbeit verbringen, drehen sich viele Gedanken dabei um das Gespräch mit dem Chef, die E-Mail, die wir noch schnell abschicken wollten, das letzte Meeting mit Kolleg*innen, in dem wir uns nicht so präsentiert haben, wie wir es wollten. Wie oft liegen wir abends im Bett und hängen noch im vergangenen Tag fest oder machen uns schon Pläne für den nächsten, anstatt einfach mal abzuschalten. 

Abschalten heißt Abstand nehmen, Distanz zwischen unsere Erlebnisse der Vergangenheit und unsere aktuellen Gedanken und Emotionen bringen. Wenn wir das nicht tun, wirkt sich das auf unser Wohlbefinden aus.

– Anne –

Es ist Selbstschutz, um nicht unnötig lang unter vergangenen Situationen zu leiden oder an unserem Selbstwert zu zweifeln. 

Was wir meiner Meinung nach lernen müssen ist, dass unser Selbstwert keine Leistungskennzahl ist, geknüpft an gesellschaftliche Erfolg-Standards. Die drei Punkte, die mir sehr oft dabei helfen, Distanz zur Arbeit zu schaffen sind:

  • Sieh dir von außen die gesamte Situation an und werde Beobachter*in, der/die sich auch empathisch in andere Beteiligten hineinversetzt. Vielleicht wurdest du am Morgen so schroff vom Chef zurückgewiesen, weil er/sie davor von einem Vogel angekackt wurde, sich deswegen vor Schreck noch mit Kaffee bekleckert hat, und  dann im Büro feststellt, dass er/sie keine Ersatzbluse mehr bereit liegen hat.
  • Mache dir das Worst-Case-Szenario bewusst und vergiss nicht, dass jede*r von uns hauptsächlich den ganzen Tag über sich selbst nachdenkt. Deine Kollegin hat gar nicht mitbekommen, dass du etwas spät dran warst, weil sie selbst gerade noch im Telefongespräch mit ihrer Tochter zur anstehenden Führerscheinprüfung war? Abstand nehmen hilft zu sehen, dass das von dir selbst gebaute Horrorszenario vielleicht doch gar nicht so schlimm ist, wie im ersten Moment gedacht. 
  • Vergleiche dich nicht. Wenn wir uns vergleichen, wird es immer jemanden geben, der/der schöner, besser vorbereitet, smarter oder reicher ist. Wohin uns das führt? In sinnlose Selbstkritik. 

Zusammenfassend sagen alle Punkte aus: Perfektionismus ist scheiße. Es gibt sie nicht, die Perfektion, oder wir lassen sie einfach selbstbewusst eine neue Bedeutung erlangen. Was, wenn wir die Luft nach oben positiv betrachten? Es gibt immer noch was zu lernen und zu entdecken. Das Pareto Prinzip ist nicht umsonst so bekannt. Quelle hier ist nicht Schmerz, sondern Freude. Wenn wir uns das zu Herzen nehmen, wird nicht nur die Erwartung an dich heruntergeschraubt, auch die Erwartungen an andere werden nicht mehr so hoch sein, falls du auch mal gelassen Fehler oder Macken von KollegInnen hinnehmen möchtest. – Anne

Bleib dir treu und bleib bei dir

Das Bild zeigt eine junge Frau mit braunem Haar und orangefarbenen Pullover in einem Kornfeld, die ihre Hände schützend vor sich hält als Zeichen dafür, Distanz zur Arbeit zu bewahren.

Wie schwer es mir fällt, eine für mich gesunde Distanz zur Arbeit zu schaffen, merke ich erst jetzt – wenn ich darüber schreiben möchte. Ich überlege, welche Tipps ich jemandem geben würde und denke über die Hürden nach, die mir im Weg rumstehen. Meine größte Hürde ist es, das gesunde Maß an Fokus und Energie zu finden. Zum Beispiel fällt es mir unglaublich schwer, an Dingen festzuhalten, dranzubleiben und auch mal stur durchzuziehen, wenn der Zauber des Anfangs abflacht. Solange der Zauber aber da ist, ist da keine Distanz. Von diesem “ganz oder gar nicht” Denken versuche ich so oft es geht Abstand zu nehmen. Um meine Energie auf alle Bereiche meines Lebens zu verteilen, aber auch, um eine gesunde Distanz zur Arbeit aufzubauen. 

Dabei hilft vor allem all das, was Anya und Anne beschreiben: die richtige Umgebung und von sich selbst und anderen das Beste annehmen. Dazu würde ich gern noch einen Punkt hinzufügen, der mir erst beim Lesen der wunderbaren Zeilen der beiden klar wurde. 

Ich glaube, ich denke vor allem dann noch abends und am Wochenende so sehr über die Arbeit nach, wenn ich in meinem Job nicht Ich Selbst sein “darf”.

– Fine –

Dann nehme ich die Emotionen, das was ich eigentlich sagen/tun/sein möchte bzw. BIN, mit nach Hause. Es bleibt unter der Oberfläche und beschäftigt mich noch lange. Vor allem, wenn ich das Gefühl habe, nicht für meine Werte einstehen zu können, weil das nicht professionell genug sei oder ich damit nicht dem schlauen Lehrbuch, sondern meinem Herzen folge. Dann hängt mir die Arbeit noch lange nach. Daher habe ich einen Rat, vor allem an mich: Lass dir deine Werte und deine Stimme nicht nehmen, auch nicht von dir selbst. Bleib dir treu und bleib bei dir – dann fällt das Abschalten schon viel leichter. – Fine


Wie ist das bei euch? Schafft ihr es, Distanz zur Arbeit herzustellen? Falls ja – welche Tipps habt ihr für uns und die TGT-Community? Falls nein – das ist auch okay 🙂 Verratet es uns in den Kommentaren oder teilt es mit uns auf Instagram.

©Photo bBrooke Cagle on Unsplash. Thank you!