Gerade seit der Pandemie kommen wir um einen Begriff nicht herum – New Work. Auf LinkedIn werden kleine Geschichten und Beispiele gezeigt, wie New Work geht – und wie auch nicht. Trendforscher und Headlines betiteln das neue Arbeiten als Modell der Zukunft. Auch in Stellenausschreibungen taucht vermehrt das Buzzword New Work auf. Doch wer oder was (verdammt nochmal) ist dieses neue Arbeiten eigentlich? 

Digitale Nomaden – Arbeiten von unterwegs 

Zum allerersten Mal hörte ich den Begriff New Work kurz vor der Pandemie. Damals steckte ich in einem Job fest, der mich mehr und mehr unglücklich machte. Es musste eine Änderung her und so sah ich mich um. Ein neuer Job, vielleicht sogar ein anderes Arbeitsmodell? Bei meiner Recherche / Suche stieß ich zunächst auf die sogenannten digitalen Nomaden. Diese lagen meist mit ihren Laptops am Strand von Bali, in der einen Hand ein leckerer Cocktail, den Blick entspannt (oder angestrengt nachdenklich) aufs Meer gerichtet. Oder sie saßen in einem coolen Cafe in New York City und ließen sich von den vorbei eilenden Passanten und dem Vibe der Stadt inspirieren. Ich hingegen saß als Online Redakteurin in einem Großraumbüro fest, bei dessen Lautstärke ich oftmals vergeblich versuchte, Texte im Akkord herunterzuschreiben. Von da an war’s um mich geschehen. Genau das wollte ich auch – selbstbestimmt und ortsunabhängig arbeiten, quasi Selbstständigkeit deluxe. 

Neues Arbeiten = selbstbestimmt arbeiten 

Aber nicht nur im sogenannten digitalen Nomadentum zeigt sich das neue Arbeiten. Insgesamt bezeichnet New Work alle Arbeitsformen, die im Zuge von einhergehender Globalisierung und fortschreitender Digitalisierung entstanden sind. Im Gegensatz zu einem eher veralteten Verständnis von Arbeit, das oft mit harter körperlicher Arbeit, einem strengen und langen Büroalltag mit Stempeluhr in Verbindung gebracht wird, geht es beim sogenannten neuen Arbeiten vielmehr um ein freieres, selbstbestimmtes Arbeiten. Die Arbeitsbedingungen sind individuell an die Bedürfnisse, Stärken und Lebensumstände der einzelnen Mitarbeitenden angepasst. Im Fokus steht dabei auch nicht unbedingt eine steile Karriere, sondern vielmehr Selbstverwirklichung und ein selbstbestimmtes Leben. Viele sprechen hierbei auch von Work-Life-Blending. Ein absoluter Traum – zumindest in der Theorie!

In der praktischen Umsetzung zeigen sich New Work-Modelle zum Beispiel in einer Vier-Tage-Woche oder anderen Teilzeit-Konzepten, dem 6-Stunden-Tag, agilem Projektmanagement, Freelancing und Coworking Spaces, flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice-Modellen. All diese neuen Arbeitskonzepte sollen für höhere Zufriedenheit, mehr Motivation und eine bessere Balance zwischen Erwerbs- und Carearbeit sowie der verbleibenden Freizeit sorgen. Auch für Menschen mit psychischen und/oder körperlichen Erkrankungen bietet das neue Arbeiten einfach mehr Möglichkeiten, ihren Alltag entsprechend ihrer Bedürfnissen flexibel zu gestalten.

New Work ist nicht gleich New Work

Das Bild zeigt eine Frau und einen Mann, die lachend an einem Tisch sitzen und das New Work Konzept für sich umsetzen.

Aber Vorsicht! Nicht überall, wo New Work drauf- und drin steht, ist auch New Work drin. Auch in modernen Recruiting-Kampagnen tauchen vermehrt die Schlagwörter New Work und neue Arbeitskonzepte auf. Stellenausschreibungen sprechen vermehrt von “remote Arbeitsmodelle,” “flexible Arbeitszeiten” und “Future Office”. Doch bedeutet ein remote Arbeitsplatz und flexible Arbeitszeiten automatisch, dass das Unternehmen sich nach dem New Work Modell richtet? – Nicht unbedingt. Viele Unternehmen bieten all diese New Work Benefits an, in der Umsetzung schränken sie diese jedoch ein. So müssen Angestellte am Ende eines Homeoffice-Tages eine abgearbeitete To-Do-Liste vorlegen oder sich zu Beginn und Ende ihrer Arbeitszeiten bei ihren Vorgesetzten an- und abmelden. Oder Homeoffice ist nur nach einer bestimmten Unternehmenszugehörigkeit oder an ausgewählten Tagen möglich, wodurch die Arbeitnehmenden weniger flexibel und selbstbestimmt arbeiten können. New Work ist auch nicht der kostenfreie Obstkorb oder die Getränkeflatrate, der Kickertisch oder die Teamevents. Dass Unternehmen all das zur Verfügung stellen ist toll – aber trägt nichts zur Selbstverwirklichung oder Flexibilität bei. Im Gegenteil – oftmals entsteht genau durch diese Benefits auch ein gewisser Druck, möglichst viel Zeit im Unternehmen verbringen zu müssen – was nun nichts mit New Work zu tun hat. 

New Work – alles Top oder auch Flop?!

Natürlich stellt der New Work Trend viele Unternehmen vor neue Herausforderungen. In traditionellen Arbeitsmodellen gilt das 9-to-5 Prinzip, es gibt geregelte Arbeitszeiten und feste Abläufe, an die sich alle Angestellten zu halten haben. Wer wo wie arbeitet, ist klar geregelt. Alle passen sich an die vorgegebenen Arbeitsbedingungen ihrer jeweiligen Jobs an – und nicht der Arbeitsplatz an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Durch die neuen Arbeitsmodelle fällt es schwerer, den Überblick über die Belegschaft zu halten. Wer arbeitet wo und vor allem wann? 

Das mag auf den ersten Blick recht anstrengend klingen, fair enough! Aber wer sein Unternehmen getreu dem Motto “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!” führt, der darf sich auch nicht wundern, wenn das Unternehmen mit einer hohen Mitarbeiter*innen-Fluktuation zu kämpfen hat. Wer seine Mitarbeiter*innen langfristig behalten und auch gut für sie sorgen möchte, sollte sich von diesem Leitsatz verabschieden. Vertrauen und Wertschätzung sind die neuen Zauberwörter und oft ein viel besserer und auch langlebiger Benefit als frisches Obst, Kernarbeitszeiten und ständige “Überwachung”.

Done is good enough

Ein weiterer New Work Ansatz, der hier Abhilfe schaffen könnte, ist nicht mehr nach reiner Arbeitszeit, sondern nach geschafften Projekten zu denken. Dazu stellen wir mal die These auf, dass Mitarbeiter*innen viel besser und kreativer arbeiten können, wenn sie so arbeiten können, wie es am besten für sie und ihre Bedürfnisse ist. Und wenn sie ihre zugeteilten Projekte und Aufgaben in weniger als der vorgesehenen Zeit schaffen, dann ist das doch wunderbar – für beide Seiten. 

Unternehmen sollten sich dabei wirklich die Frage stellen, wie produktiv die Mitarbeiter*innen bei einer 40-Stunden-Woche wirklich sind. Denn sind wir mal ehrlich: Acht Stunden, fünf Tage die Woche durchweg “produktiv” ist keiner! Einige Mitarbeitende können sich morgens viel besser konzentrieren, andere kommen erst so richtig am Nachmittag in Schwung. Aber konstant abliefern, das kann keiner. We are just humans und jedes Arbeitstier braucht Pausen.

Bergmann und die Bewegung der neuen Arbeit

Übrigens, neues Arbeiten gibt es aber nicht erst seit der Corona-Pandemie. Das New Work Konzept wurde bereits in den 70er Jahren von dem amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann entwickelt. Bergmanns Philosophie zur Neuen Arbeit bezeichnet dabei einen Wandel der Arbeitswelt, der kapitalistische Arbeitsmodelle gewissermaßen ins Gegenteil umkehrt. Statt Profit und Produktivität stellte Bergmann dabei Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft als zentrale Werte der „Neuen Arbeit“ heraus. Nicht der Mensch soll der Arbeit dienen, sondern die Arbeit dem Menschen, so Bergmann.1 Demnach sei das Ziel, eine “Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen” auszuüben, bei der das „individuelle menschliche Bedürfnis“ im Mittelpunkt steht.2 Laut Bergmann soll – nein muss – Arbeit das Individuum erfüllen und ihm mehr Kraft und Energie verleihen, als sie ihm bei der Ausübung raubt. Das klingt verdammt logisch.

Insgesamt ist New Work ein ziemlich cooles Konzept, das im Grunde genommen schon seit über 50 Jahren existiert. Quasi ein halbes Jahrhundert Credibility. Ein Grund mehr, dass sich New Work auch langfristig auf dem Arbeitsmarkt etabliert. Oder was meint ihr? 


Wie seht ihr das? Habt ihr bereits Erfahrung mit New Work gemacht? Und wie sieht neues Arbeiten bei euch aus? Verratet es uns in den Kommentaren oder teilt es mit uns auf Instagram.

1 Bergmann, Frithjof (Autor), Schuhmacher, Stephan (Übersetzer) (2017), Neue Arbeit, neue Kultur (Taschenbuch). Kapitel 5. Arbor Verlag.

2 https://newwork-newculture.dev/ 

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