Einfach nein: Vor ein paar Jahren wurde mir ein Job angeboten, nach außen hin sogar ein richtig guter: tolles Gehalt plus Jahresbonus und weitere Benefits, bezahlte Geschäftsreisen, geförderte Weiterbildungen, Teamevents, unbefristeter Vertrag. Und trotzdem war ich einfach nicht sicher, ob dieser Job das richtige für mich war. 

AUSSEN TOP, INNEN FLOP

Passten der Job und ich wirklich zusammen? Genau das fragte ich mich immer und immer wieder. Ich ignorierte schließlich das flaue Gefühl in meinem Bauch und auch das beklemmende Gefühl, das ich nach jeder weiteren Bewerbungsrunde mit meinen potentiellen neuen Arbeitgeber*innen hatte und sagte schließlich zu. Immerhin – top Gehalt, ein Aufstieg im Lebenslauf, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zumindest meine Eltern waren glücklich. Letztendlich hielt ich knapp zwei Jahre durch. Das gute Gehalt und der Jahresbonus entpuppten sich als Kompensation für das Aushalten der Machtspielchen der Geschäftsleitung, die Businesstrips waren alles andere als Fun, die Weiterbildungen waren nur begrenzt möglich, die Teamevents gestellt und vorher genauestens abgesprochen. Nach außen hin schien das alles toll, aber innen fühlte ich mich alles andere als gut. Ich schlief schlecht, meine rechte Schulter schmerzte hin und wieder. Das flaue Gefühl im Magen, dass ich bereits ganz am Anfang gespürt hatte, spürte ich schon fast gar nicht mehr. Es war immer da, es war zur Gewohnheit geworden.

SAME SAME, BUT DIFFERENT

All das liegt wie gesagt schon ein paar Jahre zurück. Dennoch musste ich vor ein paar Wochen wieder daran denken. Denn da wurde mir wieder so ein “Superjob” angeboten – überdurchschnittlich gutes Gehalt und Benefits on top, eine geförderte Teamkultur, bei bestandener Probezeit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Aufstiegschancen. Das klang alles wieder sehr gut und versprach mehr als der unsichere Teilzeitjob, den ich gerade machte. Tja und mit diesem neuen Jobangebot stand ich also wieder genau da, wo ich schon vor ein paar Jahren gestanden hatte. Bleiben oder gehen? Auf das Bauchgefühl hören oder eine eher rational motivierte Entscheidung treffen? 

RATIONAL RICHTIG VS. EMOTIONAL NEIN

Sich für das rational Richtige zu entscheiden – genau das hatte ich damals ja schon einmal getan. Ich hatte den Weg gewählt, der meinen Lebenslauf und auch mein Konto aufwertete. Ich hatte gearbeitet und gearbeitet und gearbeitet. In meiner Freizeit war ich damit beschäftigt, mich irgendwie zu entspannen und wieder fit für den nächsten Tag, die nächste Woche, die nächsten Monate zu werden. Ich hatte einen Job, der einen immer größeren Teil meines Lebens ausfüllte und der mir immer weniger Freude bereitete, in dem ich immer neue Projekte bearbeitete und der meine Werte nicht erfüllte. Ich hatte einen Job und einen Lifestyle, durch den mich andere als “Toll, die hat’s geschafft!” einordneten und der vor allem in den Erzählungen meines Vaters im Verwandtenkreis positiv aufblitzte. Ich machte weiter, schaute immer nur nach vorne, biss die Zähne zusammen (was mir nachts eine Beißschiene einbrachte) und versuchte bloß nicht mal kurz innezuhalten und einfach mal im Hier und Jetzt zu sein. Ein Stillstand und einfach mal durchatmen und zu gucken, wie geht es mir wirklich? – Himmel, nein! Einfach stehen bleiben – das wäre ja nicht rentabel. Time is money. A business never sleeps. Das waren die Nachrichten, die ich von der Unternehmensseite immer wieder gesagt bekam. Nicht hinterfragen, einfach machen. Warum? Weil es gut ist für das Business. 

NEIN-SAGEN IST AUCH (K)EINE OPTION

Das Bild zeigt eine junge schwarze Frau in einem orangefabenen Blazer, die selbstbewusst mit verschraenkten Armen posiert. Ihr Blick sagt Nein!

Und genau da wollte ich einfach nicht mehr landen. Aus der eigenen Erfahrung hatte ich doch gelernt, dass alles einen Preis hat – vor allem gut bezahlte und gut angesehene Jobs. Denn es kostet verdammt viel Kraft, so einen Vollzeitjob zu machen, den Druck auszuhalten und die Erwartungen zu erfüllen. Mehr Lebenszeit mit einem Job verbringen, als mit dem Leben an sich. Aber so einen Job nicht annehmen? Erneut fühlte sich bloß der Gedanke an wie scheitern. So ein Angebot ausschlagen? Wie kannst du nur so denken! Aber wenn ich eins gelernt hatte – oder vielmehr dabei war zu lernen – dann das: Glück und Erfolg erhalten wir nicht nur durch den Job, das dicke Gehalt, den beruflichen Aufstieg. Gerade im Job sollten wir auch auf andere Dinge gucken, wie zum Beispiel der Wohlfühlfaktor, was sagt mein Körper dazu und wie sieht’s denn mit dem Stresslevel aus?

DAS NEIN NACH AUSSEN IST EIN JA NACH INNEN

Was ich heute weißt: Bleiben kann auch schön sein. Sich weiterzuentwickeln bedeutet ja nicht immer der nächste Schritt auf der Karriereleiter, das nächstbeste Gehalt. Weiterentwicklung bedeutet auch, glücklich und zufrieden zu sein, mit dem, was ist. Und dabei zu wissen, was es braucht, damit es einem gut geht. 

Für mich ist es nicht so wichtig, dass ich die Karriereleiter nach oben klettere, andere überhole, um gar selbst in einer Führungsposition zu landen. All das liegt mir nicht und macht mich nicht glücklich. Ich möchte aufstehen und Freude haben an dem, was ich tue. Meine Arbeit muss für mich sinnvoll sein. Und ich brauche genügend Zeit für mich, um andere Dinge in Ruhe tun zu können. Der Job steht bei mir nicht an erster Stelle – und doch drehen sich oftmals die Zweifel darum, wenn ich dann mal Nein sage. Tue ich auch genug, wenn ich mich für einen wenig bezahlten Teilzeitjob entscheide? Ist das wirklich okay, weniger Stress und dafür mehr Yoga und freie Zeit in meinem Leben für Kalle, meine Familie und Freund*innen und das Schreiben zu haben? Denn die Mehrheit der Gesellschaft arbeitet nun mal sehr viel und wir feiern uns teilweise auf Social Media selbst dafür, dass wir Nachtschichten einlegen und Überstunden leisten und die wenige Freizeit, die wir haben, zum Networken und Optimieren verwenden. 

Doch ich habs ja selbst erfahren, dass das Neinsagen sein darf, ja sogar viel mehr sein muss. Denn ein Nein nach außen ist dabei ein Ja nach innen.

Auch wenn wir uns wahrscheinlich nie zu 100% kennt, wissen wir doch meistens intuitiv, welcher Weg für uns selbst am besten ist. Daran glaube ich jedenfalls ganz fest. Wir haben nur verlernt, nach innen zu lauschen und der inneren Stimme mehr Gewicht zu geben als all den Stimmen von außen. 

NEIN, DANKE, DAS PASST NICHT

Letztendlich habe ich den Job nicht angenommen. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Wieder einmal habe ich abgewogen zwischen rational richtig und meinem emotionalen Bedarf. Es war wieder da, dieses Tauziehen zwischen: “Eigentlich bin ich ganz glücklich, mit dem was ich habe” und “Aber es könnte doch auch ein wenig mehr sein!” 

Doch die folgende, recht simple Kosten-Nutzen-Rechnung hat mir bei meiner finalen Entscheidung geholfen: Werden meine Bedürfnisse im Job nicht erfüllt, geht es mir nicht gut. Geht es mir nicht gut, kann ich auch nicht gut arbeiten. Demnach habe ich mir also die Frage gestellt, ob in diesem potentiellen Superjob meine persönlichen Bedürfnisse erfüllt werden. Die Antwort darauf? – Ein klares Nein. Denn im Moment ist es gut so, wie es ist. Meine Bedürfnisse werden jetzt erfüllt, im “Superjob” eher nicht. Klar, ein “Da geht noch was!” wird es immer geben und irgendwie ist ja immer ein bisschen Luft nach oben. Doch für mich ist emotional wichtig mehr wert als rational richtig. Denn auch wenn das Ja-sagen vielleicht gesellschaftstauglicher ist, ist es nicht gleichzeitig auch ich-tauglicher für mich. Daher sag ich lieber nein.


Wie seht ihr das? Habt ihr ähnliche Erfahrungen mit dem Nein- bzw. Ja-Sagen gemacht? Verratet es uns in den Kommentaren oder teilt es mit uns auf Instagram mit dem Hashtag #truegoodthings.

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