Was ich durch Yoga über mich gelernt habe
Am Anfang mochte ich Yoga nicht. Alles daran störte mich. Doch ich versuchte es ein paar Jahre später erneut. Von da an blieb Yoga in meinem Leben.
Am Anfang mochte ich Yoga nicht. Alles daran störte mich. Doch ich versuchte es ein paar Jahre später erneut. Von da an blieb Yoga in meinem Leben.
Ich war gerade einundzwanzig geworden, als ich zum ersten Mal Yoga ausprobierte. Ich trug eine hellgraue Leggins, die nicht richtig saß und in der ich mich nicht wirklich wohl fühlte. Ebenso erging es mir mit Yoga. Das ständige Atmen, die Koordination von Körper und dieser Atmung, diese Leggins, die ich trug, die seltsamen neuen Wörter mit fremden Klängen wie Savasana, all das war damals nichts für mich. Oder vielmehr war ich einfach noch nicht bereit dafür.
Ein paar Jahre später, als ich fünfundzwanzig war und in Sydney lebte, schleppte mich meine Freundin Phoebe zu einer Yogastunde. „Du musst es unbedingt versuchen“, sagte sie. „Es ist großartig, es ist so anders. Es wird dir gut tun.“ Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mich damals gefühlt habe: verwirrt, verloren und irgendwie orientierungslos in der Welt. Ich war im letzten Semester meines Masterstudiums. Ich war gerade aus einer toxischen Beziehung ent-/gekommen. Und ich hatte keinen wirklichen Plan für mein weiteres Leben.
Es war ein ganz gewöhnlicher Mittwochabend, noch warm vom Tag, aber schon schattig von der hereinbrechenden Nacht. Und ich weiß noch genau, wie ungern ich mitgekommen war. Mein Schatten schleppte sich langsam hinter Phoebe den Bürgersteig entlang. Das Yogastudio befand sich in einem alten Gebäude, das wie eine Kapelle aussah. An der Hauswand entlang standen Leute in Flip-Flops in einer Schlange, einige lehnten ganz lässig an den weiß getünchten Säulen. In der großen Halle lagen die Menschen dicht gedrängt, Matte an Matte. In jeder Ecke glitzerten Kerzen und ein schwerer Duft aus Weihrauch schwebte durch die Luft. Die Energie fühlte sich hoffnungsvoll und irgendwie elektrisch an. Meine anfängliche Ablehnung mischte sich langsam mit aufsteigender Neugier.
Ein paar Minuten vor Unterrichtsbeginn trat der Lehrer herein, in einen orangefarbenen Schal gehüllt. Mit seinem kahlen Kopf sah er aus wie ein Mönch. Seine Bewegungen waren langsam und bedächtig; seine Stimme war ein beruhigender Singsang. Er sah sich um und schaffte es irgendwie, den Blick aller im Raum zu halten. Obwohl wir so viele Menschen waren, fühlte es sich gut an, gesehen zu werden und Teil von etwas scheinbar Größerem zu sein.
Die Yogastunde begann und ich bewegte mich noch ein wenig ungelenk und unkoordiniert durch die ersten Sonnengrüße. Chaturanga Dandasana, Cobra, nach unten schauender Hund. Irgendwann blieb der Lehrer an meiner Matte stehen und führte mich sanft in eine seitliche Drehung, wobei er meinen Körper vorsichtig in eine Position schob, die ich noch nie zuvor versucht hatte. Etwas in mir hat sich verschoben. Es fühlte sich an, als wäre etwas in mir geöffnet worden und ich trat ins Licht.
Zwischen den Matten umher wandernd, zitierte der Lehrer auch kurze Gedichte mit seiner schweren, beruhigenden Stimme.
Begin again to the summoning birds / to the sight of the light at the window, / begin to the roar of morning traffic / all along Pembroke Road. Every beginning is a promise / born in light and dying in dark…
Dies waren die ersten Zeilen von Brendan Kennellys Gedicht Begin, die ich mich für immer an diese Yogastunde erinnern werden. Begin again. Begin again. Die feierliche, beruhigende Stimme des Lehrers, diese Worte, dieser dunkle, ruhige Raum, in dem nur das schwere Atmen und eine Art von aufsteigender Magie zu vernehmen war.
Als ich Savasana erreicht hatte, liefen große, warme Tränen über meine Wangen und über mein Schlüsselbein, mein Puls schlug schwer gegen meine Knochen, mein Körper summte vor Leben. Begin again. Begin again. Diese Worte stiegen wie ein Echo von den weich gewordenen Körpern um mich herum und ich vergab mir ein wenig dafür, dass ich so fühlte, wie ich mich fühlte. Nicht gut genug zu sein. Nicht zu irgendjemandem oder irgendwo hingehörend. Nicht zu wissen, wer ich eigentlich war und was ich eigentlich wollte.
Nach dieser einen Yogastunde folgten noch viele weitere. Jeden Mittwoch, wenn ich meine nackten Füße auf die Matte stellte, passierte etwas anderes. Etwas anderes löste sich in mir. Nach jeder Stunde fühlte ich mich viel leichter und ein bisschen weniger verloren. Ich fühlte mich viel mehr in mir angekommen. Ich fühlte meinen Körper auf neue, heilende Weise. Ich fühlte, wie mein Geist weicher wurde und erlaubte mir, die Gedanken loszulassen, die mich so lange zurückgehalten hatten. Jedes Mal fing alles mit diesen wenigen Worten an: Begin again. Seit diesem Mittwochabend praktiziere ich Yoga. In dem Moment, in dem ich meine Füße auf die Matte stelle, höre ich immer noch diese Worte: Begin again. Begin again.
Yoga begleitet mich seitdem; es hat mich schon oft wieder aufgerichtet, mich schon oft vor dem Durchdrehen bewahrt und mich immer wieder beruhigt und geerdet. Vor allem hat Yoga mich auch durch eine Reihe von Jobs begleitet, mich durch schwere, zehrende, stressige Zeiten geschoben, die ich ohne Yoga glaube ich nicht so gut durchgestanden hätte.
Es gibt viele Lektionen, die ich beim Yoga gelernt habe. Ich habe gelernt, still zu sein und mir selbst zuzuhören. Ich habe gelernt, auf das zu hören, was mein Körper zu sagen hat. Ich habe gelernt, meine Gedanken so zu nehmen, wie sie sind – flüchtige Momente, die kommen und gehen. Ich habe gelernt, nett zu mir selbst und nett zu anderen zu sein. Ich habe gelernt, die Grenzen meines Körpers zu akzeptieren und die Grenzen, die ich mir selbst gesetzt habe, loszulassen und zu überwinden. Aber die größte Lektion, die ich durch Yoga gelernt habe, ist, immer wieder anzufangen, ganz egal was kommt. Begin again. Begin again.
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©Photo by Jade Stephens on Unsplash. Thank you!