November 2013. Ich beginne nach 5 Jahren Studium an tollen Unis meinen ersten Bürojob. Ich bin total aufgeregt, habe mir extra Berufskleidung gekauft – Hosenanzüge und Blusen, hohe Schuhe und eine neue Tasche. Alles, damit das Bild von der neuen Produktmanagerin möglichst professionell wirkt. Ich bin 25 Jahre alt, komme gerade von der größten Rucksackreise meines Lebens zurück und fühle mich, als könnte ich alles erreichen. Jetzt. Hier. Ich bin wie viele junge Menschen, die frisch vom Studium kommen, bereit, Gas zu geben und zu beweisen, was in mir steckt. Ich bin wie viele junge Menschen, die BWL studiert haben, irgendwie arrogant sicher, dass ich hier viel bewegen kann, dass ich echt viel weiß und den Kolleg*innen mit meiner neuen Sichtweise und all dem, was ich kann, helfen kann.

“Das haben wir schon immer so gemacht.”

Mai 2014. Wie immer telefoniere ich stundenlang mit meiner besten Freundin. Erzähle ihr von meiner Enttäuschung, dass ich mir den Job irgendwie anders vorgestellt hätte. Spannender, dynamischer. Ich möchte etwas bewegen nach der ganzen Zeit, werde aber in meinen Schranken gehalten. Ich fühle mich ein bisschen desillusioniert und frage mich, warum ich meine wertvolle Arbeitszeit so langsam verbringen soll. Sie erzählt mir, dass es ihr ähnlich geht. Irgendwas stimmt nicht, irgendwas passt nicht – wie ein Pullover, der irgendwie komisch sitzt und nach einer Zeit seltsam kratzt. So wie wir beide hinterfragen viele meiner Freund*innen schon nach kurzer Zeit im ersten Job ihre kompletten beruflichen Entscheidungen. Wir fühlen uns alle entweder ein wenig fehl am Platz, ausgebremst, oder mit einem Gefühl von “Und das geht jetzt 40 Jahre so?” allein gelassen. Unsere Erwartungen an diese spannende, professionelle Welt wurden mehr oder weniger enttäuscht. Wir jungen, etwas arroganten Berufseinsteiger fühlen uns… komisch.

“Wenn du das Gefühl hast, es ist zu viel, bist du nur schlecht strukturiert.”

Februar 2017. Ich bitte meine Kollegenfreundin, die Bürotür zu schließen, weil mir die Tränen nur so die Wangen herunterlaufen. Ich sinke vor Überforderung weinend in meinen Bürostuhl – nicht zum ersten Mal und auch nicht zum letzten. Mein toller, dynamischer Agenturjob, den ich eigentlich nur für ein Jahr – als Karriereschritt – machen wollte und nun schon seit fast 2 Jahren auf Vollgas mache, macht mich kaputt. Ich mache mich kaputt. Die Taktung der Aufgaben, der Druck meiner Vorgesetzten, mein eigener Anspruch – all das bringt mich an den Rand meiner Kräfte. Mit 29 Jahren sitze ich schon morgens um 10 von Druck zerfressen weinend am Schreibtisch. Das ist nicht wirklich der Rede wert – passiert uns allen hier hin und wieder. Ich habe in den stylischen Wänden meiner Agentur so viele tolle Menschen um mich herum. Menschen, die mich tröstend umarmen, mit mir unglaublich viel Quatsch machen oder mir einfach auch um 10 Uhr morgens wortlos einen Schnaps hinstellen. Wir rocken das zusammen, arbeiten zusammen, lachen und weinen und feiern zusammen. Mein Berufs- und Privatleben ist eins, ist diese Agentur. Ich liebe es, auch wenn es mich kaputt macht. Ist das der Preis, den wir für Spaß an der Arbeit zahlen müssen? Geht nur entweder das eine oder das andere? Wie lange geht das noch gut? Das sind die Fragen, die ganz kurz durch meinen Kopf gehen, bevor ich müde und von zu viel Alkohol mitten in der Woche ins Bett falle.

“Ich vertraue hier maximal 3 Leuten.”

September 2019. Ich arbeite in einem sozialen Start-up. Dynamik UND Work-Life-Balance, tolle Kolleg*innen UND Zeit für mein Leben, und dazu noch eine gesellschaftliche Relevanz. Hier wird New Work groß geschrieben, ich kann mich mit neuen Ideen einbringen und viel mitentscheiden. Die Einbußen in der Bezahlung nehme ich gern in Kauf für etwas, für das es sich lohnt. Nach 2 Monaten habe ich mein erstes Feedbackgespräch – etwas früh für mein Empfinden, aber besser, als müsste ich darum kämpfen, überhaupt Feedback bekommen und geben zu dürfen. In diesem Gespräch geht es dann darum, dass ich nur auf 75 Prozent laufen würde, dass da mehr ginge, dass da mehr gehen müsste. Nach 2 Monaten im neuen Job, in denen meine Ziele von meinen Gesprächspartnern 3 Mal verändert wurden, weil sie sich nicht sonderlich einig scheinen. Ich fühle mich vor den Kopf gestoßen – vor allem, weil ich weiß, wie wichtig gerade für ein Start-up die Zielerreichung ist. Ich hatte trotzdem angenommen, ich könnte hier in der familiären Atmosphäre ankommen. Ich will doch unbedingt die Richtung mitgehen. Oder sogar auch gern selbst vorgehen! Ich fühle mich, wie mit einem Gummiband um die Hüften, das von verschiedenen Seiten festgehalten wird. “Mach’s zu deiner Sache… aber doch nicht SO” scheint das Credo zu sein. Es wird viel über Vertrauen gesprochen, aber irgendwie fühlt sich es sich doch nach Worthülsen an. Die äußere Darstellung und die innere Atmosphäre passen für mich überhaupt nicht zusammen. Was bringen OKRs, Stand-up Meetings und trendy Büroräume, wenn die Basis fehlt: eine gemeinsame Richtung, Wertschätzung und Vertrauen? Denke ich heute. Was ist falsch mit mir, dass ich mich selbst hier überhaupt nicht wohl fühle? Dachte ich damals. Ich werde plötzlich ständig krank, fühle mich, als würde ich versagen und jede*n im Stich lassen und verlasse den Job fast so schnell, wie ich gekommen bin.

Das muss doch besser gehen.

September 2021. Es liegt eine unfassbar schwierige Zeit hinter uns allen. Wir sind anscheinend immer noch nicht ganz durch, aber die hinterlassenen Spuren sind greifbar. Meine Werte haben sich nicht geändert, und doch ist der letzte Funke Bitterkeit gegenüber meinen früheren Arbeitgeber*innen vollkommen verflogen. Wir tun das, was wir denken, dass das richtige ist. Deswegen bin ich auch mir selbst gegenüber nicht mehr so hart. Nicht mehr so frustriert darüber, was ich alles auf mich genommen habe, um reinzupassen. Um mich gut genug zu fühlen. Um meinem Idealbild von mir selbst zu entsprechen. Ich habe viel gelernt, über mich, über andere, und vor allem darüber, wie wir Arbeit definieren. Und so unterschiedlich meine Stationen waren, hatte ich immer diesen einen Gedanken: Das geht doch auch anders. Das geht doch auch besser. Das MUSS doch besser gehen. Aus meinen Erfahrungen meiner beruflichen Laufbahn wusste ich vor allem lange, was ich NICHT will. Aber was genau will ich? Was genau brauche ich?  Was heißt “besser”? Was ist gutes Arbeiten? Gibt es dort eine universelle Antwort, die für uns alle passt – für mich, für dich, für jeden Menschen?

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ähnliche Erfahrungen gemacht haben, wenn du meinen Artikel bis hier hin gelesen hast. Wurden deine Erwartungen schon einmal bitter enttäuscht? Hast du viel zu lange in einer Umgebung ausgeharrt, die dir ganz offensichtlich nicht gut tat? Kennst du auch das “eigentlich wollte ich ja was ganz anderes machen…” Gefühl so gut, dass es dir schon gar nicht mehr auffällt? Dann geht es dir wie mir. Und ich mache mich jetzt für uns weiter auf den Weg, herauszufinden, wie es sonst noch geht. Wie gehen andere mit dem Druck um? Wie gelingt eigentlich eine große Veränderung? Wo fange ich an, wenn ich nichts mehr weiß? 

Ich bin mir sicher: Es geht besser. Es gibt für jede*n von uns ein Leben, das genau zu uns passt. Mit Höhen und Tiefen und allem dazwischen. Jede*r von uns hat seinen ganz eigenen Weg und seine ganz eigene Geschichte, ganz eigene Werte und Bedürfnisse. Und für genau dieses Mindset, genau diesen Weg steht True Good Things. Ich freue mich, wenn dich unser Weg ein wenig inspiriert, deinen Weg in DEINE Richtung zu gehen. Was auch immer das für dich heißt: Come as you are.


*Anmerkung: Die Beschreibungen beziehen sich ausschließlich auf meine persönlichen Erfahrungen zu den damaligen Zeitpunkten und lassen keine Schlüsse darauf ziehen, wie es heute für Arbeitnehmer*innen ist, in den Unternehmen zu arbeiten. Mit diesen rein persönlichen Geschichten möchte ich auf allgemeine, von mir wahrgenommene Missstände in unserer Arbeitswelt aufmerksam machen.