Nachtschichten und Wochenendarbeit und erstmal kein Urlaub in Sicht – so sieht das klassische Klischee einer erfolgreichen Gründerin  – mit Kind oder auch ohne – oftmals aus. Und was ist mit Vereinbarkeit von Privatleben, Kindern und einer Familie? Zumindest auf den Sozialen Medien scheinen das viele female Founders ganz locker zu wuppen. Karriere und Kind, Kind und Karriere – beides kinderleicht. Doch ist das wirklich alles so easy zu schaukeln? Genau darüber spreche ich mit Maren Will, Vereinbarkeits Coach für Mamas, Frauen und Unternehmen. 

Maren und ich kennen uns seit genau 10 Jahren. Damals haben wir bei einem Berliner Start-up in der Online Redaktion zusammengearbeitet. Seitdem verbinde ich mit Maren genau zwei Dinge: zum einen den stylischen Boho-Look mit bunten Bommeln und zum anderen die typisch hessische Frankfurter Grüne Soße. Von der hatte Maren damals immer geschwärmt und in der Mittagspause auch mal eine Kostprobe mit ins Büro gebracht.

“Einer der Hauptgründe, warum ich aus meinem Unternehmen ausgestiegen bin, war [die fehlende] Vereinbarkeit,” erklärt mir Maren durch den Screen hinweg, während sie noch schnell kleine Fingertapsen ihrer Tochter Lotti mit dem Ärmel ihres Mantels beiseite wischt.

“Ich wollte nicht mehr permanent am Handy sein, wenn ich bei meinem Kind bin, sondern wirklich da, wo ich gerade bin – auch im Kopf.” 

– Maren Will –

Wir sind sofort mitten drin im Thema Vereinbarkeit. Das Unternehmen, von dem Maren hier spricht, ist mara mea. Das Berliner Fashionlabel für Frauen ist bekannt für seine multifunktionalen Wickeltaschen, Umstandsmode und Accessoires im lässigen Ethno-Chic, die Frauen vor, während und auch nach der Schwangerschaft begleiten. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin gründete Maren das Unternehmen in 2015. Von da an ging alles ganz schnell: Sie gewannen im selben Jahr den 1. Platz des Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg und waren mit ihrem Label auf Modemessen in Paris und Tokio vertreten. Ihre Wickeltasche “New Moon” schaffte es sogar in die Vogue UK.

“Zu dem Zeitpunkt, als ich ausgestiegen bin, war es einfach auch so, dass ich mit sehr viel Arbeit und Baby gemerkt habe, dass es so nicht weitergehen kann. Viel Arbeit – das waren damals zum Teil 50 Stunden pro Woche – in Teilzeit.”

In 2020, ein Jahr nach der Geburt von Lotti, entschied Maren die eigene Firma zu verlassen – ohne zu wissen, was danach kommt. Mit dem Ausstieg kam erstmal vor allem eins: Zeit zum Durchatmen und Innehalten, das erste Mal seit fünf Jahren eine längere und mehr als wohlverdiente Erwerbsarbeits-Pause.

Zeit für Selbstreflexion, statt immer nur Business, Business, Business

Während Maren ihr Macbook über die Terrasse balanciert, höre ich im Hintergrund die knapp Dreijährige Lotti aufgeregt rufen. Sie winkt kurz in die Kamera und übergibt ihrer Mama einen Kaffee. 

“Nach meinem Ausstieg bei mara mea wusste ich erstmal gar nicht, was ich jetzt machen will. Das war ein extremer Cut: Ich musste erstmal herausfinden, wer ich jetzt ohne die Firma bin, die ja auch irgendwie mein Baby und auch ein Teil meiner Identität war, weil ich einfach einen grossen Teil meines Lebens dort verbracht, und all meine Energie und mein Herzblut investiert  habe,” erklärt mir Maren. “Ich musste mich erstmal wieder neu finden. Ich musste herausfinden, wer ich ohne die Firma und auch ohne meine Geschäftspartnerin bin.” 

Das klingt verdammt nachvollziehbar. Erstmal eine Auszeit, das Vergangene verarbeiten, Geschehnisse Revue passieren und auch loslassen, Innehalten und Kraft tanken bevor es dann weitergeht.

“Ich habe mir dann neben der Carearbeit tatsächlich erstmal Zeit für Selbstreflexion genommen,” fährt Maren fort. “Dann habe ich erstmal gemerkt, was überhaupt zu meinem Ausstieg geführt hat. Nämlich, dass ich mir selbst viel zu wenig Zeit für mich genommen und meine Bedürfnisse gar nicht mehr wahrgenommen habe. Es war nur Business, Business, Business und machen, machen, machen.”

Zunächst fing Maren an, andere Unternehmen basierend auf ihren eigenen Erfahrungen aus fünf Jahren Unternehmertum zu beraten. Durch Zufall wurde sie auf den Lehrgang der IHK zur Vereinbarkeitsmanagerin aufmerksam, den sie dann absolvierte. Zusätzlich kam noch eine Ausbildung zum Systemischen Coach dazu, einfach um noch mehr Methoden und Tools im Bereich Coaching kennenzulernen und um mehr Struktur in die Coachings zu bringen.

Gute Arbeit = Vereinbarkeit, Flexibilität & Erholung

Seit knapp einem Jahr arbeitet Maren nun als Beraterin und Vereinbarkeits Coachin für selbstständige Mamas, Frauen und Unternehmen. Mit Beratung und Coaching unterstützt sie dabei ihre Klient*innen bei Themen rund um Selbständigkeit, Businessaufbau und Vereinbarkeit. Seit Herbst 2021 ist Maren zudem auch noch als Dozentin an der AMD Wiesbaden tätig. 

“Mir ist wichtig, dass ich mich selbst verwirklichen und auch die Arbeit mit meiner Familien vereinbaren kann. Aber auch, dass ich zeitlich flexibel bin und mir Zeit für Erholung und Weiterbildung nehmen kann. Und natürlich, dass man nicht alles an die Arbeit anpassen muss, sondern auch schaut, dass man die Arbeit an die Bedürfnisse und Verhältnisse anpasst.”

So wie zum Beispiel genau jetzt. Nach diversen Lockdowns und Kita-Schließungen, haben Maren und ihr Partner sich kurzerhand entschieden, die eigenen vier Wände gegen ein Haus  auf Mallorca zu tauschen. Auch wenn es kein reiner Urlaub, sondern eher eine Workation mit Kind (Work=Arbeit und Vacation=Urlaub), ist, tut der Ortswechsel bisher allen sehr gut. Einfach mal raus aus dem Alltag und von dort aus arbeiten, wo andere Urlaub machen. Genau diese Flexibilität und auch Spontanität sorgt bei Maren für Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Denn sie hat gelernt, auf sich und ihre Bedürfnisse zu hören und ggf. etwas zu ändern. 

“Vereinbarkeit ist nicht etwas, was irgendwann komplett optimiert ist. Vereinbarkeit ist eher der Weg dahin als das Ziel. Es ist ein ständiger Prozess, den man immer wieder für sich anpassen muss. Aktuell bin ich damit sehr zufrieden – abgesehen vom Corona-Kita-Alltag, das ist und bleibt eine echte Herausforderung.”

Weniger ist manchmal mehr

Das Bild zeigt Maren Will, Mama und Coach für Vereinbarkeit.

Ein großes Learning, dass Maren aus ihren bisherigen Berufserfahrung mitnimmt, ist, sich genügend Zeit zur Selbstreflexion zu nehmen. Nicht immer nur arbeiten und abliefern, sondern auch einfach mal anhalten und mit Abstand auf Prozesse und Arbeitsabläufe und vor allem auch die eigenen Ziele zu schauen. Auszeiten werden dafür in die Jahres- und Monatsplanung mit einbezogen.

“Es ist so wichtig, sich immer wieder die Zeit zu nehmen und sich selbst zu hinterfragen. Ist es immer noch das, was ich machen möchte? Fühle ich mich wohl? Wo sind meine Grenzen? Woran möchte ich arbeiten? Was muss ich ändern?”

– Maren Will –

Genau dieses sich Zeit nehmen und immer wieder zu reflektieren hat Maren dabei geholfen, für sich einen Weg zu finden, wie sie Familie und Beruf in ihrem Leben gut balancieren kann. Auszeiten quasi als To-Do, das finde ich sofort prima. Und warum auch nicht? Denn wenn wir nicht gut für uns selbst sorgen, können wir ja auch nicht gut arbeiten. 

Organisation nach der ABC-Methode

“Ich habe eine Jahres-, eine Monats- und eine Wochenplanung. Meistens gehe ich das am Sonntag oder am Montag gemeinsam mit meinem Partner durch und wir besprechen, wer wann arbeiten kann. Vor allem auch je nachdem ob die Kita gerade auf oder zu hat.”

In der Regel arbeitet Maren zwei ganze und drei halbe Tage die Woche. Dabei teilt sie sich ihre To-Dos in Blöcke auf, die sie dann dem entsprechend bearbeitet. Prioritäten setzt Maren dabei nach der ABC-Methode, wobei die Aufgaben in die Kategorien „wichtig“, „weniger wichtig“ und „Routine“ eingeteilt und dann in der Reihenfolge bearbeitet werden.

Ein wichtiges Learning: Als erstens werden nicht mehr die Mails gescheckt! Und vor allem kommen an den halben Arbeitstagen nicht mehr als drei To-Dos auf die Liste. Denn Dinge, die nicht geschafft werden, sorgen nur unnötig für eine große Unzufriedenheit. 

Falls Maren ihre Aufgaben an einem Tag schneller schafft als geplant, nimmt sie manchmal noch eine Aufgabe vom nächsten Tag dazu. 

Fehlende Vorbilder und zu hohe Erwartungen

Im Laufe unseres Gesprächs kommen wir auch auf das Thema Vorbilder – auch in Bezug auf das Thema Vereinbarkeit – zu sprechen. Gerade als Frauen sind wir noch immer einer hohen Erwartungshaltung ausgesetzt. Die Erwartungen von außen, was wir alles können und leisten müssen, sind groß. Aber auch die Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, stehen dem oftmal in nichts nach. (Soziale) Medien und auch unser Umfeld zeigen uns, wie kinderleicht der sogenannte Spagat zwischen Beruf und Familie klappen kann. Im Alltag sieht das aber leider oft anders aus. Ohne Nachtschichten, Wochenendarbeit und Verzicht auf wirkliche Auszeiten geht es dann doch nicht, einfach um beidem – Familie und Beruf – gerecht zu werden. Gesund ist das langfristig sicher nicht. Vorgelebt wird dieses Modell trotzdem, denn Alternativen gibt es nur sehr wenige. 

“Die Frage stellt sich für mich aber schon: Warum gibt es keine Vorbilder, die es anders machen? Ich glaube, es liegt auch daran, dass da einfach noch eine Barriere ist, was man öffentlich zeigt – ohne sich dann dadurch als schlechte Businessfrau darzustellen.Leider gibt es für Gründerinnen in Deutschland auch noch viele politische und bürokratische Hürden, wie zum Beispiel das Elterngeld, das für das Unternehmerinnenmodell ganz und gar nicht ausgelegt ist. Veraltete Strukturen und Rollenbilder spielen eine große Rolle. 

Die Vorbilder fehlen aber nicht nur für berufstätige Mütter, auch im Bereich Frauen in Führungspositionen gibt es leider noch immer zu wenig positive Mut-Mach-Geschichten.

“Fehlende Vorbilder, das ist ein riesengroßes Thema. Wenn du in keinen Vorständen oder Führungsebenen junge Frauen förderst, oder noch ein Schritt weiter – Frauen mit Familie – dann schaffst du es eben auch nicht, dass Frauen in deinem Unternehmen denken, sie können das schaffen, also dass du sie ermutigst und sie ambitioniert sind, da hinzukommen.”  

Wie wir das ändern können? Unter anderem, indem wir ein wenig mehr davon zeigen, wie es wirklich ist, ein eigenes Unternehmen als Frau zu gründen, eine berufstätige Mutter mit Doppelbelastung zu sein oder als Frau in einer Führungsposition zu arbeiten.  

“Was passiert im schlimmsten Fall?” 

Am Ende teilt Maren noch einen weitere Erkenntnis mit mir. Und zwar, dass wir uns zu jeder Zeit umentscheiden dürfen. Das Wichtigste dabei: einfach machen und ausprobieren. Und wenn es für einen nicht passen sollte, dann einfach neu entscheiden und etwas anderes probieren – solange, bis es sich gut anfühlt.

“Es ist so wichtig – was ich leider zu spät erkannt hab – und warum ich mir auch so ein wenig meine eigenes Gefängnis gebaut habe – dass man sich auch immer wieder umentscheiden kann und auch darf. Auch wenn man sich jetzt selbstständig macht und merkt, dass es einfach nicht das Richtige ist, dann kann man immer noch zurück in die Festanstellung. Oder man hat gerade den Job gewechselt und man kann ihn dann auch wieder wechseln, wenn es nicht passt.”

Nachdem unsere Interview beendet ist und wir beide unsere Laptops zugeklappt haben, ist es gerade dieser letzte Teil unseres Gesprächs, der bei mir noch ein wenig nachklingt, als ich in den Tag hinaus gehe. Sich abermals umzuentscheiden wird bei uns auch oft mit Scheitern gleichgesetzt. Einmal einen Weg eingeschlagen, bedeutet das eher durchziehen, egal zu welchem Preis, auch wenn es nicht passt und sich nicht gut anfühlt. 

“Sich die Frage zu stellen: ‘Was passiert im schlimmsten Fall?’ ist immer ganz hilfreich,” hat Maren auch noch gesagt. Und ich finde, es stimmt. Denn oft tritt das Schlimmste gar nicht ein oder ist gar nicht so schlimm wie angenommen. In diesem Sinne: ein Hoch auf das Ausprobieren und Umentscheiden.


Drei Dinge, die du deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben würdest

Etwas Wahres (True)

Plane genügend Erholung und Raum für Weiterbildung ein.

Etwas Gutes (Good)

Sei weiter so selbstbewusst und zielstrebig und auch furchtlos. Ich hatte nie wirklich Ängste vor der Selbstständigkeit. Und das war das Beste, was mir passieren konnte. 

Eine random Sache (Things)

Chill mal, entspann dich! Das sagt meine Tochter immer: “Mama, entspann dich!”

Entspann dich und genieß dein Leben. 


Mehr über Maren erfährst du auf www.marenwill.de und auf Instagram.