Bleiben oder doch gehen? Schon so lange hatte ich mit dem Gedanken gespielt, alles stehen und liegen zu lassen und endlich die berufliche Veränderung zu wagen, von der ich nachts – und auch vermehrt tagsüber – träumte. Letztendlich entschied ich mich immer fürs Bleiben – bis Corona, Kurzarbeit und die damit verbundene freie Zeit zum Nachdenken mich vom Gegenteil überzeugten. Es gab dabei nicht den sogenannten großen Knall, der oftmals eine rigorose Veränderung bewirkt. Vielmehr waren es die Signale meines Körpers und auch ein kleiner Push von außen (von Seiten der Pandemie), die meinen inneren Schweinehund endlich aus der Komfortzone in eine neue Arbeitswelt schubsten. 

Ein Obstkorb ist kein Benefit!

Wertschätzung, Vertrauen, flexible Arbeitszeiten, Arbeiten auf Augenhöhe und vor allem meinem restlichen Leben und Bedürfnissen angepasst – genau so einem Arbeitsumfeld wollte ich arbeiten. Denn all das hatte ich in meinem vorigen Job nicht gehabt, obwohl es doch in der Stellenausschreibung so gestanden hatte. Stattdessen gab es flache Hierarchien mit Teamevents (= keine Struktur aka Chaos) und frisches Obst sowie Frühstückscerealien (= bereits beim Frühstück werden Mails beantwortet). All diese vermeintlichen “Benefits” wurden stets nach außen hin betont und nach innen hin krampfhaft zelebriert. Keineswegs erwiesen sie sich als Kompensation für die hektisch chaotische Arbeitsatmosphäre, die skurrilen Post-it Boards und Stand-up-Meetings (meist ohne die Führungskräfte, die entweder zu spät oder gar nicht kamen) und auch die unverhältnismäßig schlechte Bezahlung.

Auf der Suche nach dem Sinn

Der Beruf, den ich jahrelang ausübte, wurde zwar als sozialer Job „mit Sinn“ bezeichnet, dennoch lag ich viele Nächte lang wach und fragte mich, warum ich das hier alles tat. Ab und an schmerzte meine rechte Schulter, mein Nacken meldete sich hin und wieder mit Verspannungen.

Irgendetwas stimmte nicht und ich wusste lange Zeit nicht, was genau das war. Zähne zusammenbeißen! Augen zu und durch! Weitermachen, irgendwie! So lautete lange Zeit meine Devise.

Doch der Wunsch nach beruflicher Veränderung und auch die Anzeichen meines Körpers wurden immer lauter. Wie diese Veränderung aussehen sollte und was genau ich mir stattdessen wünschte, wusste ich nicht und konnte auch nicht die richtigen Worte dafür finden. Dann kam Corona und ich schaffte endlich den Absprung. Bye, bye Job mit Sinn, welcome back Schlaf und hello Pause für das sich immer drehende Gedankenkarussell. Endlich wieder atmen und einfach (ich) sein. 

Arbeiten geht auch anders!

Warum ich das genau jetzt noch einmal erzähle? – Um deutlich zu machen, wie (wortwörtlich) verzwickt meine Arbeitssituation vor meiner beruflichen Veränderung gewesen war. Und wie unendlich dankbar ich gerade für all die schönen Erfahrungen im „neuen“ Job bin, die ich in den letzten Monaten habe machen dürfen.

Ich weiß jetzt: Arbeiten geht auch anders –  wirklich und in echt. Es gibt da draußen noch eine andere, eine bessere Arbeitswelt, in der ich mich wohlfühle und so arbeiten kann, wie ich es möchte. Ganz ohne Misstrauen, sinnlose KPIs und strukturlose Unternehmensstrukturen.

Die soziale Ausrichtung steht zwar nicht bei jedem Projekt im Fokus, aber das wertschätzende Arbeitsumfeld und die angenehme Arbeitsatmosphäre machen das alles wieder wett. Ich habe in der Zwischenzeit gelernt, dass das Sinnhafte meiner Arbeit dabei nicht zwingend im sozialen Bereich verankert sein muss, sondern auch im zwischenmenschlichen Miteinander, einer angenehmen Arbeitskultur und der aufrichtigen Wertschätzung den Mitarbeiter*innen gegenüber liegen kann.

Neuer Job, altes Ich

Eine weitere Erkenntnis, die ich in den letzten Monaten durch die berufliche Veränderung erlangen konnte: auch ich bin ein Gewohnheitstier. Denn ich merke immer wieder, dass genau diese angenehme Arbeitsatmosphäre doch noch sehr ungewohnt für mich ist.

Kann das alles wirklich so gut sein? Wo ist denn da bitteschön der Haken? – Genau diese Fragen stelle ich mir immer wieder und wieder. Konditionierung, alte Glaubenssätze und gelernte Verhaltensmuster, genau diese drei laufen mir im Büro recht häufig über den Weg.

Zu gewohnt ist es noch, meine Bedürfnisse und Bedenken nicht laut äußern zu können. Denn zu lange habe ich gelernt, die Launen meiner Vorgesetzten still und leise zu ertragen und mich dabei selbst zu verlieren und immer weniger zu werden. Zu sehr bin ich daran gewöhnt, ins Büro gehen zu müssen, auch wenn ich lieber von Zuhause aus arbeiten würde. Bleibe ich jetzt lieber im Home-Office, hab ich kurz davor ein schlechtes Gewissen und merke dann aber auch genauso schnell, dass es genau richtig ist, nach einer kurzen Nacht oder mit Wärmflasche auf dem Bauch ganz langsam in den Tag zu starten – und dabei viel mehr zu schaffen, als in einem lauten unruhigen Großraumbüro. 

Durchhalten und weitermachen

Zu oft bin ich trotz Krankheit ins Büro gegangen oder habe von zuhause aus weitergearbeitet. Einfach, weil es in meinem alten Arbeitsumfeld so üblich war. Egal, ob Erkältung, Rückenschmerzen, Halsentzündung, Migräne, weitergearbeitet wurde trotzdem immer. Aspirin, Ibu, Grippostad Complex, mindestens eine dieser Tabletten hatte ich immer dabei.

Ausgerechnet in den ersten Monaten im neuen Job habe ich Covid bekommen. Verdammt! Frei geben wollte ich mir selbst trotzdem nicht so recht, obwohl meine Vorgesetzten das taten. Ruh dich aus! sagten sie. Ich muss doch funktionieren! Und gerade als Neue zeigen, was ich kann! Kranksein, jetzt? Wie unerhört ungünstig!, dachte ich zugleich und fiel ebenso schnell in ein altes Verhaltensmuster: durchhalten, weitermachen, verausgaben und bloß keine Pause gönnen. Doch Covid war einfach knallhart und ich hatte gar keine Chance, als letztendlich aufzugeben. Und siehe da? – Nix Schlimmes passierte. Kolleg*innen und Kund*innen hatten vollstes Verständnis, sodass der innere Antreiber ganz umsonst versuchte, mich zum Arbeiten zu animieren. Ein Learning, an dem ich gerade noch auf Hochtouren arbeite: Ich bin gut so, wie ich bin, krank oder gesund. Mein neues Ziel lautet: Kopp aus und Konditionierung ebenso! 

Veränderung braucht Zeit

Des Weiteren habe ich gelernt, dass es wichtig ist, anderen, aber vor allem auch mir selbst viel Zeit für das Annehmen von und den Umgang mit Veränderungen zu geben – je mehr, desto besser. Fine und ich dachten beide, dass wir hier nach einem Monat wieder loslegen. Das ist doch ein Klacks, neuer Job und True Good Things! Beides zusammen, das wuppen wir schon. Alles ganz easy peasy! – Pustekuchen, nix da 😉 Es gibt da ja diese altbewährten Kalendersprüche: „Gut Ding will Weile haben“ und „Zeit heilt alle Wunden“. Beide mag ich vom Klang her irgendwie nicht leiden, vom Inhalt her stimmen sie dann aber doch.

In Ruhe Dinge angehen und vor allem Neues zu wagen gelingt beides viel besser – und vor allem gesünder – wenn wir uns dafür ganz viel Zeit lassen.

Und je mehr Zeit zwischen uns und den alten Begebenheiten (zum Beispiel alten Jobs 😉) liegt, desto mehr können wir das Erlebte verarbeiten, neu einsortieren, daraus lernen und im Idealfall daran wachsen.

Berufliche Veränderung lohnt sich

Manchmal denke ich, dass Veränderungen, die einfach passieren, viel leichter sind als die, für die wir uns selbst entscheiden müssen – beruflich, wie auch privat. Bei den letzteren liegt die Verantwortung nämlich einzig und allein bei uns selbst – und nicht bei anderen oder im außen. 

Über die Veränderungen in meinem Berufsleben, für die ich mich quasi aktiv entschieden habe (mit einem kleinen Schubser seitens der Pandemie und meines Körpers), bin ich gerade so verdammt froh und unfassbar dankbar. Denn mein neuer Job hat mir gezeigt, dass es da draußen sehr wohl Hoffnung auf eine bessere Arbeitswelt und einen guten Platz zum Arbeiten für uns alle gibt, so pathetisch und poetisch zugleich das auch klingen mag. Wir müssen nur mutig sein, uns Zeit geben und geduldig sein. Und bei uns und unseren Bedürfnissen bleiben und daran glauben, dass alles irgendwann gut wird. 


Berufliche Veränderungen wagen – habt ihr damit Erfahrungen gemacht? Wie seid ihr dabei vorgegangen? Und was hat euch dabei geholfen? Verratet es uns gerne in den Kommentaren oder auf Instagram.

©Photo by Claudia Drechsler. Thank you!

*Anmerkung: Die Beschreibungen beziehen sich ausschließlich auf meine persönlichen Erfahrungen zu den damaligen Zeitpunkten und lassen keine Schlüsse darauf ziehen, wie es heute für Arbeitnehmer*innen ist, in den Unternehmen zu arbeiten. Mit diesen rein persönlichen Geschichten möchte ich auf allgemeine, von mir wahrgenommene Missstände in unserer Arbeitswelt aufmerksam machen.